Experten berichteten im Rahmen der Bürgerversammlung zum Thema „Energiewende und Versorgungssicherheit“ über die aktuelle Situation und deren Herausforderungen

Am Freitag, 09. September 2022, fand im Bürgerhaus „Löhnberger Lilie“ eine Bürgerversammlung zum Thema „Energiewende und Versorgungssicherheit“ statt.
Die Eröffnung übernahm der Vorsitzende der Gemeindevertretung Thomas Zipp.
Anlass der Veranstaltung sind die aktuellen Herausforderungen, die sich durch den in der Ukraine ausgebrochenen Krieg für die ganze Welt, und konkret für Deutschland ergeben. Der Kampf um die Rohstoffe und die Energie haben mittlerweile auch in Deutschland begonnen und die Verteuerung spüren wir alle. Täglich hören und lesen wir darüber in der Presse. Auf dieser Informationsveranstaltung gab es ausführliche Einblicke, wie sich die Gemeinde Löhnberg, der Landkreis Limburg-Weilburg und der Energieversorger Syna diesen Problematiken stellt.
Bürgermeister Dr. Frank Schmidt berichtete über die Auswirkungen auf die Gemeinde und welche Überlegungen und Anstrengungen die Verantwortlichen bereits unternommen haben, um für den Notfall vorbereitet zu sein. Seit Kriegsbeginn ist der Alltag in der Verwaltung durch Gespräche, Sitzungen und Abfragen zur Situation geprägt. In erster Linie sei es elementar wichtig, dass die „kritische Infrastruktur“ am Leben erhalten werden kann. Dazu wurden bereits verschiedene Analysen durchgeführt und die nachfolgenden Punkte als „kritische Infrastruktur“ definiert:
- Wasser, Löschwasser
- Abwasser
- Heizung
- Telefon
- medizinische Geräte
- Betreuungsplätze
Für alle oben genannten Punkte wird für den Betrieb oder die Bereitstellung Strom benötigt. Die Gemeinde ist zudem dazu verpflichtet, Betreuungsplätze bzw. Räumlichkeiten bereitzuhalten, falls Bürgerinnen oder Bürger ihre Wohnungen oder Häusern nicht mehr heizen können.
Nach dem Sonderschutzplan „Betreuung“ des Landes Hessen muss ein sogenannter „Katastrophenschutzleuchtturm“ eingerichtet werden, um Stromversorgung und Wärmeverfügbarkeit sicherzustellen. Als Leitstelle wurde hierfür das Feuerwehrhaus Löhnberg bestimmt, da dieses bereits über entsprechende Notfallausrüstungen, u.a. ein Notstromaggregat verfügt. Für die anderen Ortsteile sind ebenfalls die Feuerwehrhäuser als zentrale Anlaufstellen definiert worden. Als „Wärmeinseln“ wurden das MGH (Hackschnitzelanlage), die Turnhalle Niedershausen (Betreuungsplätze für rund 50 Personen), die DGH´s in Obershausen und Selters sowie das Bürgerhaus „Löhnberger Lilie“ festgelegt.
Des Weiteren wurde ein Konzept für ein Krisenszenario entwickelt. Knackpunkte sind die Stromversorgung für die Hochbehälter (5), Abwasser (Pumpen), Hackschnitzel-Heizwerke im MGH und im „Wohnen auf der Stadtmauer“, MGH, FFW (4 Standorte), Turnhalle Niedershausen sowie die Wärme/Heizung für die Turnhalle Niedershausen, die Feuerwehren und u. U. die Dorfgemeinschaftshäuser in Obershausen und Selters.
Zudem müssen funktionierende Telefone (für Notrufe etc.) verfügbar sein, diese befinden sich in der Leitzentrale in der FFW Löhnberg sowie den Feuerwehren der Ortsteile.
Maßnahmen zur Energieeinsparung: hier sollen die Raumtemperaturen gesenkt werden, dazu wurden entsprechende Höchsttemperaturen festgelegt. Büroräume auf maximal 19° C; Räume, in denen leichte (auf max. 18 °C), mittelschwere (auf max. 16 °C) und schwere Tätigkeiten (auf max. 12 °C) verrichtet werden. Die Umsetzung wird auf das Grad genau schwierig, aber die Temperaturen werden gesenkt. In der Verwaltung auf ca. 19° C und in den Kitas auf 20 °C. Die Duschen wurden bereits abgeschaltet, um Energie zu sparen.
Bürgermeister Dr. Frank Schmidt berichtete zudem über die umfangreichen energetischen Sanierungen bzw. Neubauten der gemeindeeigenen Immobilien seit 2009: DGH Selters, DGH Obershausen, Neubau Löhnberger Lilie, MGH, Kindertagesstätte Löhnberg und Niedershausen, Turnhalle Niedershausen, Demenzzentrum „Alte Schule“ und „Wohnen auf der Stadtmauer“. Zu Beginn der Baumaßnahmen lag die Einsparung bei 1,6 Mio. kWh, 840.000 kg CO2 und 174.514 €. Durch weitere Sanierungsmaßnahmen bzw. Neubauten konnten bis zu 80 % Heizkosten eingespart werden. Bis heute konnten daher ca. 4 Mio. kWh, ca. 2 Mio. kg CO2 und 350.000 € eingespart werden.
Die Gemeinde hatte bereits 2009 ein Gutachten „Energieautarke Gemeinde“ in Auftrag gegeben, welches nun noch einmal überarbeitet werden soll.
Nach den Vorgaben des Landkreises soll möglichst auf regionale Energieträger zurückgegriffen werden. Das ist in Löhnberg teilweise schon geschehen. Insgesamt 9 Photovoltaikanlagen mit über 202 KW-Peak Leistung und Einsparungen in Höhe von 150 Tonnen CO2 sowie eine geplante Windkraftanlage in Niedershausen (geplante Inbetriebnahme im Herbst 2023), welche ca. 7 bis 8 Mio. kWh Strom im Jahr erzeugen wird. Das ist der Gesamtbedarf von Löhnberg. Auch die Hackschnitzelheizwerke und die Nahwärmeversorgung sind gerade jetzt in der Krise ein großer Vorteil, für den die Gemeinde viel Bewunderung erfährt. Zusätzlich werden alle Lampen auf LED umgestellt. Neue werden direkt in LED angeschafft und die Ortsteile nach und nach umgestellt. In Selters und Obershausen wird die Umstellung in einem Zug erfolgen, in Löhnberg abschnittsweise. Schwieriger ist Niedershausen, da es dort noch Oberleitungen gibt.
Bürgermeister Dr. Frank Schmidt betonte: „Es gibt erst einmal keinen Grund zur Hysterie. Die Aufgaben werden der Reihe nach abgearbeitet, vieles ist bereits getan und vieles davon zahlt sich jetzt aus, aber Umstellungen bzw. Bestellungen werden dauern und man muss sich täglich neuen Herausforderungen stellen.“ Die Gemeinde habe vorausschauend gehandelt und bereits die bestehenden Verträge bis August 2023 verlängert, um die Preise zu sichern und die Bürger nicht alleine zu lassen!
Von Seiten des Landkreises war der Erste Kreisbeigeordnete Jörg Sauer gekommen und berichtete, was der Landkreis bereits für Anstrengungen zur Energiewende und der Versorgungssicherheit unternommen hat und welche Aufgaben noch zu bewältigen sind. Der Landkreis hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein. Dazu wurden verschiedene Analysen durchgeführt und Konzepte erstellt. Ein wesentlicher Aspekt sei die Sanierung der Bestandsgebäude und die Errichtungen von Solaranlagen. 22 Solaranlagen gibt es bereits an Gebäuden des Landkreises, 40 weitere Standorte wurden definiert. Das größte Potenzial bietet die Kreisabfalldeponie in Beselich mit 120.000 m². Die Hälfte der Fläche sei relativ schnell umzusetzen, so Vizelandrat Jörg Sauer. Auch die Themen Mobilität (Fuhrpark), das Radwegekonzept (u.a. auch Wege zur Arbeit) und ein sicherer Schulweg seien dabei wichtige Aspekte.
Um CO2-neutral zu werden sei für den Landkreis die Dekarbonisierung, also die dauerhafte Bindung von Kohlendioxid als Kohlenstoff, ein elementarer Baustein. In einem bestimmten Verfahren kann aus Abfall gute Energie gewonnen werden. "Dies ist einer der Schlüssel zur Erreichung unseres Klimazieles.", so Jörg Sauer.
Zudem wird derzeit, in Zusammenarbeit mit der TH Mittelhessen, ein Konzept zur Bestimmung des Energiepotenzials (gesamte Energie, Photovoltaik, etc.) des Landkreises erarbeitet.
Am Ende seiner Rede ging Jörg Sauer noch auf den Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Auswirkungen auf Deutschland bzw. den Landkreis ein. Die Verantwortlichen des Landkreises haben sich umgehend nach Kriegsausbruch mit den verschiedensten Worst-Case-Szenarien beschäftigt und entsprechende Notfallpläne aufgestellt. Jörg Sauer zeigte sich optimistisch, dass es zu keinem totalen Stromausfall kommen wird. Er appellierte an alle, gemeinsam darauf zu achten, dass es nicht zu gesellschaftlichen Verwerfungen komme.
Als Vertreter der Syna (Löhnberger Versorgungsträger und Konzessionär) war Jouke Landman gekommen. Er gab den Anwesenden einen globalen Überblick über die Energiewende und die damit verbundenen Überlegungen als Energieversorger. Die Herausforderungen seien u. a. der Transport der Energie (Energieautobahnen), der Mobilitätswechsel, Wärmewende (Umstellung auf elektrisches Heizen usw.). Prognosen sagen, dass es bis 2030 ca. 5 Mio. Wärmepumpen geben wird (aktuell sind es 1 Mio.) und ca. 15 Mio. Elektrofahrzeuge und diese müssen versorgt werden. Aus Sicht von Herrn Landman lohne sich die Anschaffung von Photovoltaikanlagen und die Speicherung der Energie bzw. Einspeisung ins öffentliche Netz. Momentan befinde man sich in der Notfallstufe 3 bzw. Alarmstufe 2 (seit Juni). „Die Lage ist angespannt, aber stabil. Im Winter könnte es kritischer sein, daher muss die Lage genau beobachtet werden“, so Jouke Landman.
Nach wie vor wird Gas eingespeichert, so dass der Füllstand bereits bei 87 % liegt, was über Plan ist. Dieser Wert sei gut, aber die Kehrseite ist, dass Energie egal zu welchem Preis eingekauft wird und sich die Märke nach Angebot und Nachfrage richten. Die Gaspreise liegen aktuell um ein Vielfaches über den Vorjahren. Die Syna habe aber bereits letztes Jahr Energie eingekauft (zu einem besseren Preis als aktuell), aber irgendwann wird sich die Preiserhöhung auch durchschlagen.
Er riet zudem von der Anschaffung und dem Betrieb von Heizlüftern ab. Die Nutzung mache weder wirtschaftlich noch energetisch Sinn und belaste zudem enorm die Netze. Herr Landman geht nicht davon aus, dass es zu einem Totalausfall kommen wird, es könne aber u. U. zu lokalen Störungen bzw. Schwankungen kommen.
Herr Schmitt von der Landesenergieagentur Hessen musste seine Teilnahme leider kurzfristig krankheitsbedingt absagen.
Nach den ausführlichen Informationen hatten die Anwesenden Gelegenheit, Fragen an die Experten zu richten.
Vielen Dank an den Ersten Kreisbeigeordneten Jörg Sauer und Jouke Landman von der Syna für die ausführlichen Informationen und alle interessierten Bürgerinnen und Bürger, die gekommen waren.


